Just A Small Town Boy

RELEASE demnächst

Rockstar-Romance mit Kleinstadt-Vibes

I had nothing to do these days, 

so I decided to fall in love

 

 

Prolog


EINES TAGES IN WITCHITA FALLS





»Los jetzt, Sweety, sag etwas! Außer du willst, dass wir unsere Kinder aus einem Katalog aussuchen, weil meine Fortpflanzungsorgane an jenem Tag erfroren sind, an dem ich dich bat, meine Frau zu werden!« Sie kichert. Kichern ist nicht die Reaktion, die ich erwartet habe. Ich reibe meine Hände aneinander.
»Wirst du jemals Handschuhe tragen?« Liebevoll legt sie ihre behandschuhten Finger über meine und reibt für mehr Wärme.
»Wie sollte ich auf Lucy spielen mit den Dingern?«, empöre ich mich und rücke meine zweite große Liebe zurecht, meine nachtblaue Gitarre, die ich über die Schulter hängend trage. Ich wollte für Stella einen Song schreiben, doch er ist nicht fertig. Offen gestanden ist er mehr unfertig als fertig. Also konnte ich ihr nur die ersten Zeilen, die eine vage Ahnung dessen preisgeben, was daraus werden kann, anstimmen. Jeder denkt, es wäre leicht, über die Liebe zu schreiben, doch das stimmt nicht. Nichts ist schwieriger, als all die Gefühle zu beschreiben, die sich vervielfachen und intensivieren, sobald sie auf Gegenseitigkeit beruhen. Die ultimative Liebe bedeutet zu lieben und geliebt zu werden, nach dem Boomerang-Prinzip in Endlosschleife. Bäm, und Herzen explodieren, Seelen verbinden sich, ein Feuerwerk entspringt. Es juckt mich, nach dem kleinen Schreibblock in der rechten Gesäßtasche meiner tiefsitzenden Jeans zu greifen, den ich immer bei mir trage, um mir den letzten Satz zu notieren. Kein guter Augenblick! Memo an mich: Herzen, Seelen, Feuerwerk. Wie immer nimmt Stella Rücksicht auf meine fliegenden Gedanken und schmunzelt, als sie bemerkt, dass ich wieder im Hier und Jetzt bin.
»Du spielst aber nicht, Fin.« Sie unterbricht das Reiben und haucht ihren warmen Atem auf meine Handflächen.
»Und du antwortest nicht«, erwidere ich mit einem dezent beleidigten Unterton. Ich weiß, dass sie mich heiraten wird, trotzdem habe ich die Hose voll! Diese Frage stellt man nur einmal im Leben, also ich werde sie nur einmal stellen und – ich berufe mich erneut auf den Boomerang – ihr Ja bedeutet, dass auch ich mich ihr versprechen werde. Für immer Finley und Stella. Keine kleine Sache! Meine Knie schlottern. Das hat jetzt aber nichts mit der vollen Hose zu tun, mir ist einfach nur kalt. Bitterkalt. Wenn man bedenkt, dass meine Familie die größten Wolllieferanten diesseits des Colorado Rivers sind, manche behaupten sogar aus ganz Texas, könnte es auf manch einen etwas seltsam wirken, dass ausgerechnet ich friere. Ich hasse es nun mal, mich nicht richtig bewegen zu können!
»Glauben alle Musiker, sie wären unbesiegbar, sobald sie ihr Instrument bei sich tragen?« Grinsend schiele ich auf meine Hose hinab.
»Ich trage mein Instrument immer bei mir, Sweety, du weißt!« Angeregt wackle ich mit den Augenbrauen, packe sie an den Hüften und ziehe sie dicht an mich. Stella wirft den Kopf in den Nacken und lacht. Ihr rotblondes Haar glitzert in der Wintersonne und schnell legt sie eine Hand auf ihre Bommelhaube, damit sie nicht vom Kopf rutscht. Sie sieht aus wie ein Weihnachtself, ihr Strickpullover, die Handschuhe, Schal und Haube haben das typische weihnachtliche Muster. Wie jedes Jahr um diese Zeit, als stünde sie im Auftrag von Santa Claus und müsste Arbeitskleidung tragen, zelebriert Stella es bis nach den Feiertagen. Ich küsse sie auf die Nasenspitze.
»Und jetzt sag schon ja, Weib!«, befehle ich streng und hebe sie hoch.
»Ja, Finley Van Zandt, ja, ja, ja! Ich werde deine Frau, was denkst du denn!? Einer muss ja auf dich aufpassen!« Ich drehe mich um die eigene Achse, meine Arme unter Stellas Hintern. Sie jauchzt, lacht, ich jubele und unsere Familien und Freunde kommen hinter ihren Verstecken hervor. Bewaffnet mit Konfetti, Luftschlangen, Banner, Handtrommeln, Papiertröten und was ihnen sonst in den Sinn kam. Plötzlich ist gefühlt die halbe Stadt im Park, was nicht allzu schwierig ist. Witchita Falls hat nur etwa siebentausend Einwohner und keiner weiß so genau, ob nicht einige Rinder und Schafe, sowie der Blindenhund von Mister Grover mitgezählt wurden.
»Ich li-li-liebe dich, Stella Van Zandt!«, kriege ich noch heraus, als Travis, Jim und Leja, meine Bandmitglieder, uns umringen und grölen, als gäbe es kein Morgen mehr. Zusammen mit Stella, die sich dem Wahnsinn an unserer Seite nicht vollends entziehen konnte, sind wir fünf das mit Abstand Verrückteste, was diese Stadt jemals hervorgebracht hat. Seit ich begonnen habe, mehr mit dem Beat zu sprechen, als zu singen, sind auch die Letzten davon überzeugt von unserem angeblichen Irrsinn. Über Storytelling-Rap wissen die meisten etwa so viel, wie Eminem über das Scheren von Schafen und das Geschäft mit der Wolle, womit meine Familie reich wurde. Also nichts. Bei den Stadtfesten, und davon gibt es jede Menge, eine Kleinstadt hat immer etwas zu feiern, spiele ich immer noch die Gitarre und singe dazu. So war es schon an der Highschool, Travis ist unser Bassist, Jim beherrscht das Keyboard und Leja ist an den Drums. Sie sieht aus wie ein Engel, doch sobald sie spielt, ergreift der Teufel Besitz von ihr. Sie ist eine Drummer-Göttin und bricht reihenweise die Herzen ihrer Verehrer. Auch das war schon an der Highschool so.
Am College veränderte sich etwas in mir. Ich hatte so vieles zu sagen und es passierte immer öfter, dass ich mehr sprach, als sang. Daraufhin stellte Jim das Keyboard zur Seite, übernahm die Rolle des Gitarristen und ich legte Lucy ab und ließ mich gehen. Beim Rappen kann ich so vieles erzählen, mitunter spontan, dass niemals in einen Song passen würde. Musik liegt mir im Blut und ich bleibe immer ein Sänger, doch Rap ist meine Passion. Man könnte auch sagen, neuerdings kann Eminem Schafe scheren.

»Hast du es ihr schon gesagt?« Ich schiele zu Jim, der neben mir auf einer der Holzbänke in der Scheune sitzt. Hier wollten wir unsere Bar einrichten. Ein Jugendtraum, der einzige, um den es mir leidtut, ihn aufgeben zu müssen. Die Karriere der Band verlangt Opfer, von diesem muss ich Stella erst noch erzählen. 
»So etwas sagt man nicht, während man seine Verlobung feiert. Du bist so unsensibel, Jim.«
»Ach, und du nicht? Seit wann weißt du es? Seit drei Monaten?« Mist! Er hat recht. Ich wollte den richtigen Moment abwarten. Vielleicht wollte ich es unbewusst hinauszögern, bis sie meinen Ring am Finger trägt. Kein Entkommen, Sweety!
»Sie würde dich niemals allein gehenlassen, das weißt du!«, raunt mein Freund, als würde er meine Gedanken lesen. Und wieder hat er recht. Stella und ich sind unzertrennlich.
»Aber ich hasse es, ihren Traum zu zerstören.« Vor einem Jahr haben wir mit dem Bau der Scheune begonnen. Wir nennen es „The Barn“, doch es ist mehr als nur eine Scheune, es sollte unser Zuhause werden. Oberhalb der Bar befindet sich eine Wohnung, in die Stella und ich schon bald einziehen wollten. Wie sagt man seiner Zukünftigen, dass daraus nichts wird, weil wir tausende Kilometer entfernt erstmal in einem Hotelzimmer leben werden, bis die ersten geplanten Gigs gespielt sind und wir Zeit haben, uns eine eigene Bleibe zu suchen? Wir wollten nie mehr, als in der eigenen Bar die eigene Musik spielen, Open-Mic-Nights veranstalten, für all jene die gerne mit einer tollen Band singen möchten, es können, oder einfach nur mutig sind. Es sollte ein Ort werden, an dem jung und alt sich mischen, wie meine Singstimme und das Rappen. Bis mein Telefon vor einigen Wochen klingelte und ein Plattenlabel uns nach Los Angeles einlud. Und zwar nicht irgendein Label, sondern MGC Records, ein Sublabel der Big Three, Universal, Sony und Warner. Da sagt man nicht nein! Genau genommen habe ich irrtümlich aufgelegt vor lauter Aufregung, und beim nächsten Anruf, der sofort danach erfolgte, nach einem kleinen Anfall von Schnappatmung zugesagt. In einer Woche brechen wir auf. Travis hat einen Mitschnitt des letzten Battles verschickt, ohne es uns zu erzählen. Er dachte ohnehin nicht, dass es jemanden interessieren würde. Danke für dein Vertrauen, Kumpel, und schon sind wir am Kofferpacken! Eigentlich sollte er es Stella sagen, es ist seine Schuld.
Verträumt schaue ich in die Mitte der Scheune, wo meine Süße zusammen mit ihrem Vater George über das Parkett fegt. Ihre Haare fliegen bei jeder Drehung und der Tüllrock im weihnachtlichen Karomuster, der bis oberhalb der Knie reicht, bauscht sich in Wellen. Mein Blick schweift nach oben. Sie trägt eine schwarze enge Westernbluse mit rotem Stick am Kragen, die ersten drei Knöpfe offen. Ich liebe ihren Hals und stelle mir vor, wie ich meine Nase in ihre Halsbeuge schiebe, an ihr rieche und zärtlich meine Lippen auf die warme Haut, unterhalb ihres Ohrs lege. Sie hat keine Ahnung, wie schön sie ist und, dass immer wenn sie lacht, in ganz Texas die Sonne aufgeht. Ich springe von der Bank hoch und gehe auf sie zu, um meinen künftigen Schwiegervater abzuklopfen. „Der größte Tänzer unter dem Himmel bist du nicht, aber wer braucht das schon, wenn man singen kann!“, sagte Stella schon bei unserem ersten Highschooltanzabend. Daran hat sich bis heute nichts geändert, also grinst sie schon, als sie ihre Hand in meine legt.
»Hey, ich geb mir Mühe!«, flüstere ich, meine Wange an ihrer.
»Das nennst du Mühe? Wir tanzen in Halftime!« Der Begriff stammt aus der Musik und  ist eine allgemein übliche Bezeichnung für eine Passage, die mit halber Geschwindigkeit gespielt wird. Das Pendant dazu ist der Doubletime-Rap. Das bedeutet doppelt so viele Silben zu spitten, was nichts anderes heißt als sie zu sprechen. Aber ein Doubletime ist nicht nur schnell rappen, es gehört auch dazu auf dem Beat zu sein und die Silben müssen verständlich ausgesprochen sein.
»Du weißt, ich steh drauf, wenn du solche Sachen sagst.« Es ist einfach zu sexy, wenn sie fachsimpelt.
»Lenk nicht ab, Romeo! Wir stinken ab hier!«
»Besser abstinken, als dir auf die Zehen treten. Für die Hochzeit werde ich üben«, hänge ich schwermütig an. Ihre Augen beginnen zu glänzen, ich hebe ihre rechte Hand und sie dreht sich. »Was für ein Glück, dass meine Zukünftige Sport- und Tanzlehrerin ist. Wenn sie es den Rabauken an der Witchita-Middleschool beibringen kann, wird sie wohl auch mit mir fertig.«
»Wird sie das.«
Ich nicke eifrig.
»Aber du wolltest nie, dass ich dich unterrichte.«
»Zeiten ändern sich, bald bin ich ein verheirateter Mann.«
»Also keine stolze Diva mehr?«
»Wir wollen doch nicht gleich nach den Sternen greifen!« Brett Young klingt aus den Boxen und ich stimme in den Refrain mit ein.
In Case you didn’t know.
Baby I’m crazy bout you.
And I would be lying if I said that I,
could live this life without you.
Even though I don’t tell you all the time.
You had my heart a long long time ago
In Case you didn’t know.
Der Song ist wie für uns gemacht. Es ist unser Lied, bis zu jenem Tag, an dem ich unseren Song fertig habe. Er wird alle anderen in den Schatten stellen, weil er wie kein anderer die Herztöne unserer Liebe beschreiben wird. Country, Pop und Rap werden sich zu einer Symphonie vereinen und unseren ganz eigenen Takt einfangen. Den Rhythmus zweier Menschen, die füreinander geschaffen wurden.
»Können wir kurz reden, bevor ich dich die Treppen hochziehe, um dich in einem der leeren Zimmer zu nehmen, wie es sich für einen anständigen Verlobten gehört?« Ich möchte unseren Tanz unterbrechen, besser gesagt meinen Entenlauf, doch Stella wiegt sich weiter im Takt.
»Über Los Angeles?« Mir steht der Mund offen.
»Wer konnte seine Klappe nicht halten?« Die Frage ist rhetorischer Natur. Meine Miene verdüstert sich und ich sehe mich nach den üblichen Verdächtigen um. Travis fällt raus. Jimmy wohl auch, sonst hätte er vorhin nicht gefragt. Leja Plaudertasche. Sie war es. Memo an mich: Das nächste Bandshirt in ihrer Größe wird mit einem Warnhinweis bedruckt. Schmollmund mit vorgehaltenem Zeigefinger und einem Schriftzug darunter: Sht! Whistleblower am Start!
»Warum hast du es mir nicht gleich gesagt?« Mit einer Hand unter meinem Kinn lenkt sie meine Aufmerksamkeit wieder auf sich.
»Zwischen Farbmuster für die Wohnung, dem Bett für unser Schlafzimmer, die Theke für die Bar, ich brachte es einfach nicht über mich. Es tut mir leid.«
»Was tut dir leid? Dass du deshalb keine Entscheidungen treffen konntest, dass du es mir nicht früher gesagt hast, oder dass ich es von Leja erfahren musste?«
»Alles.«
»Hm.«
»Verzeihst du mir?«
»Bis wir in L.A. sind, ist alles wieder gut.« Das ist mein Spruch. Egal, was sich uns in den Weg wirft, ich nehme immer das nächstgelegene Ziel, selbst wenn es nur der Laden um die Ecke ist, und versichere ihr, dass alles gut wird, bis wir dort sind. Ich schmunzle.
»Also kommst du mit?«
»Wie gesagt, einer muss ja auf dich aufpassen. Und, Fin ...? Stell mir nie wieder so eine dumme Frage. Ich will den Rest meines Lebens mit dir verbringen, du wirst nirgendwo mehr ohne mich hingehen. Weil ...«
»Weil?«, dränge ich.
»Ich dich li-li-lie-lie-liebe.«